Allgemeine Stammbaumbetrachtung

Die Allgemeinbetrachtung der Stammbäume betätigt auch hier wiederum, wie die Forschung durch willkürliche Namenänderung der Familien bis ins 18. Jahrhundert hinein erschwert ist. So wurde aus Ehrharrdt Ehrt, aus Reichenbach Reichert, aus Arnold Arndt, aus Wagenburg Wagner. Oft treten auch volkstümliche Bezeichnungen wie Pfeffertoffel (Christoph Pfeffer) an Stelle des Familiennamens.

Bei den Todesursachen sind die Eintragungen über Unglücksfälle verhältnismäßig häufiger als heute. Saale und Unstrut forderten viele Opfer. Dann wieder stürzte jemand in einen Brunnen oder wird von einer Lehmwand oder einem umfallenden Baume erschlagen. Der Schellsitzer Philipp Krug verlor 1671 sein Weib in der Gosecker Mühle dadurch, daß sie von einem Windstoße in das Stampfwerk getrieben wurde. Als man nach Jahren ihr Grab öffnete, um es neu zu belegen, fand man an Stelle der Knochenreste nur Stroh und ein Paar Schuhe, ein Ereignis, das zu geheimnisvollen Andeutungen Gelegenheit gab. (I, 457.)
Gewaltsamer Tod und Totschlag waren selten, und nur einmal innerhalb von 200 Jahren kam ein Mord vor. Am 14. Juni 1694 wurde Georg Körner aus Dobichau in der Unstrut “gesäckt” (im Sacke ertränkt), weil er am 29. März seine Frau Anna geb. Öhler im Wohnhause in Großjena ermordet und dann in den Fluß geworfen hatte. Die Ursache zu der Bluttat scheint der leichtsinnige Lebenswandel der Frau gewesen zu sein, wegen der schon früher Paul Otto zu Kirchenbuße verurteilt worden war. (I, 285 und 438.)
Der Wohnortwechsel der Bauern beschränkte sich auf die Nachbardörfer, selten wurde Naumburg erwählt. Ob die Familien Forwergk (I, 309) (Hans Forwergks Weib + 1614, deren Sohn Andreas geb. 1599) oder Seyffahrt (I,494), die in den Dörfern ansässig waren, mit beiden alten Naumburger Familien zusammenhängen, ist kaum zu ermitteln. Eheschließungen von Bauernsöhnen nach Naumburg sind nur vereinzelt aufgezeichnet. 1664 heiratete der Zinngießergeselle Andreas Wentzel aus Großjena (geb. 1636) die Tochter von Meister Franziski in Naumburg. Er brachte es in unserer Stadt zu großem Reichtum und besaß das “Zwölfapostelhaus” (Markt 19), Wiesen und Äcker, sowie “den Weinberg an der Großjenaer Fähre, den nachher Bürgermeister Henne bekam”.
Heiraten von Bauerntöchtern nach der Stadt kamen weniger selten vor. Susanne EhrhardtSchellsitz ehelichte 1742 sogar einen Ausländer, den Kupferschmiedemeister Nikola Degen aus Koppenhagen, der sich in Naumburg niedergelassen hatte (I, 432.) Manche Bauernsöhne machten fern der Heimat ihr Glück, so der vorher erwähnte SchöberSchellsitz. Philipp Hirschfeld, 1602 in Schellsitz geboren, kehrte als Kapitänleutnant in die Heimat zurück und ließ am 21. August 1633 ein Kind taufen. (I, 415.) Die Nachkommen der Schellsitzer Familie Ackermann führten einen Kampf um eine Millionenerbschaft. Der Fischer und Flößer Hans Michael A., der aus Schellsitz gebürtig und dann in der Naumburger Moritzgemeinde wohnhaft war, hatte sich mit einem Agenten Nikolai verbunden, um den Nachlaß des 1631 in Schellsitz geborenen späteren Schiffskapitäns Ackermann zu erlangen. Das in Holland befindliche Kapital betrug 60 000 – 70 000 Taler, und Pastor Bauer bemühte sich auf die inständigen Bitten der Erben, die Urkunden zur Familienzusammengehörigkeit zu beschaffen (I, 305.) Die Beschäftigung mit dem Stammbaum Ackermann erweckte in Bauer, wie er selbst schreibt, erst die Lust, als Familienforscher tätig zu sein.
Seine übrigen Aufzeichnungen bringen in bunter Folge, ohne chronologischen Gang, Pfarreinnahmen, Verordnungen, Berichte an Vorgesetzte und kleine Notizen, aus denen u. a. vortreffliche Hinweise auf die Wirtschaftslage der Bauern entnommen werden können. Das Leben der Großjenaer Bauern um 1700 verfloß in harter Arbeit und wenigen kleinen Freuden. Das seltene bare Geld mußte im 16-Stunden-Tage des Sommers mit viel Schweiß erworben werden.
1746 beschäftigte Pfarrer Bauer in der Ernte als Schnitter und Drescher Andreas Schlag senior und minor und Michael Grober nebst ihren Frauen und Kindern. Die 6 Erwachsenen nebst den Kindern erhielten für ihre gemeinsame Arbeit den 10. Teil der Roggengarben oder 1/12 Scheffel. Dafür mußten sie aber auch im Laufe des Jahres Kraut hacken, Dünger streuen, Heu machen, Gerste und Hafer sammeln, und wurden nur mit Speise und Trank sowie einer kleinen Gabe von Korn und Weizen entschädigt. Für das Mähen von Gerste oder Hafer zahlte der Pastor 3 Groschen 6 Pf. für den Acker. Der Fuhrmann erhielt nur Beköstigung, der Abläder dazu täglich 2 Groschen. Für die Erbsen-, Linsen- und Hirsenernte war als Entschädigung ebenfalls der Zehnte üblich.