Visitationen

Von besonderem Werte für die Kulturgeschichte sind immer die Protokolle der Kirchenvisitationen. Bauer berichtet in der üblichen Form der Niederschriften über die große Visitation von 1655. Dabei sei hier nur das Wertvollste herausgegriffen. Der Pastor Eckart, aus Naumburg gebürtig, hatte Sonntags abwechselnd in Großjena und Schellsitz zu predigen, hielt die Festandachten in beiden Dörfern und wöchentlich zweimal Kathechismusexamen. Von den 400 Seelen in beiden Dörfern (1655) gingen 280 zum Abendmahl (also Erwachsenenzahl). Der Major als Verwalter des Rittergutes, so berichtet Bauer, führte ein gottloses Leben und ging in 1 ¼ Jahren nicht zum Abendmahl und während derselben Zeit nur viermal zur Kirche, habe auch in seiner Krankheit keinen geistlichen Trost begehrt. Sein 20jähriger Sohn habe seit 2 Jahren nicht das Abendmahl genommen, und die Köchin ginge fast gar nicht zur Kirche. Brosius Grober und Hans Scherling wären im Laufe des Jahres nur einmal zum Abendmahl gewesen.

Das Pfarrhaus befand sich in schlechtem baulichen Zustande, so daß es in die Studierstube regnete, und die Küche war nur unter Lebensgefahr zu betreten.
Der Schulmeister, ein früherer Schneider, hatte 21 Kinder zu unterrichten und erhielt von jedem 4 Pfennige, außer einigen Naturalien und anderen Gebühren. Die Schellsitzer hielten sich ein Präzeptor (im Range niedriger als der Schulmeister), dem sie den Reihetisch gewährten.
Schlechter schnitten bei den Visitationen Kleinjena, Roßbach und Wilsdorf ab. Pastor Harnisch hielt jeden Sonntag Früh- und Nachmittagsgottesdienst. Trotzdem waren “die Roßbacher böse Christen und gingen gar unfleißig zur Kirche. Christoph Fuchs hatte sich vor dem Abendmahl toll und voll gesoffen und soll auch wohl in der Kirche rauchen. Barthel Knauth despektierte sich öfters mit dem Tabaksaufen (Rauchen).” Die Kleinjenaer beschwerten sich, daß der Pastor zu oft verreise. “Oft sei auch in der Pfarre ein großes Rauschen gehört, wenn der Pastor Wein schenkt und bis Mitternacht zum Tanz gefiedelt würde.” Der Schulmeister in Kleinjena (Hans Steinbach von Eisenberg, 1641 in Löbschütz, 1651 hier) hatte 18 Schulkinder (bei 170 Erwachsenen in den 3 Dörfern) und wurde getadelt, weil er keinen Fleiß beim Schreibunterrichte anwandte. Er entgegnete aber, er könne solche Mühe um eines Dreier willen für jeden Schüler nicht anwenden. Um zu seinen Gebühren zu kommen, schloß er bei Hochzeiten die Kirche nicht früher auf, bis alles bezahlt war. Auch die weiteren Nachrichten geben ein trübes Bild von dem Verhältnis der drei Gemeinden zu ihrem Pastor und dem Schulmeister. (II,546.) Zur Besserung der Sitten ordnete das Stiftskonsortium 1669 nachdrücklicher als 3 Jahre vorher die Schulpflicht an. Vom 5. bis 10. Lebensjahre mußte jedes Kind Sommers und Winters zur Schule kommen, die vom 11. bis 14. Jahre aber hatten von Ostern bis Michaelis frei, wenn sie von den Eltern zur Arbeit gebraucht wurden. (II,252.)


Reihetisch

Die Einrichtung des Reihetisches für Lehrer war ein willkommenes und bequemes Mittel, den Haushaltsetat der Gemeinde zu senken: Der Lehrer erhielt sein Essen reihum, sein ]ahresgehalt war entsprechend niedrig.